In einem Interview stellte sich heute Prof. Dr. Hendrik Streeck den Fragen der NRW-Lokalradio-Hörer. Redakteur Thorsten Ortmann sprach mit dem Virologen über aktuelle Fragen in der vierten Welle der Corona-Pandemie. Hier die wichtigsten Aussagen von Prof. Streeck:
Die neue Omikron-Variante sorgt seit einigen Tagen für Besorgnis. Viele Hörer wollen wissen, ob eine Impfung mit den jetzigen Impfstoffen überhaupt Sinn macht, wenn deren Wirkung auf die neue Variante noch nicht klar ist? „Die Möglichkeit ist, dass ein Impfstoff weniger gut wirkt. Aber da würde ich jetzt abwarten und sagen, da muss die Wissenschaft ihre Arbeit machen, dass wir dann fundierte Informationen darüber haben,“ sagt Prof. Hendrik Streeck. Einen Hinderungsgrund, sich nicht impfen zu lassen, weil man noch nicht weiß, ob der Impfstoff auch gegen die Omikron-Variante schützt, sieht Streeck nicht: „Nein, eher das Gegenteil…“ Evtl. sei die Impfstoff-Wirkung „ein bisschen abgeschwächt, aber immer noch in gewisser Weise da.“ Wenn man die „dann nochmal boostert, verstärkt man eher auch nochmal die anderen Immunantworten, die dann auch gut gegen die Omikron-Variante wirken können“, so Streeck weiter.
Von bundesweit einheitlichen Maßnahmen wie z. B. Lockdowns ist der Virologe nicht überzeugt: „Ich glaube, es ist gut, da differenziert vorzugehen. Auf der einen Seite gibt es Regionen wie in Sachsen und Bayern, wo sie enorm hohe Fallzahlen haben. Die haben in meinen Augen viel zu spät reagiert… Je später man nämlich reagiert, desto höher werden die Fallzahlen und desto drakonischer müssen auch die Maßnahmen sein. Also dort wird man um Kontaktbeschränkungen z. B. nicht drum herumkommen und muss Großveranstaltungen begrenzen oder absagen“, sagt Prof. Streeck. In den nördlichen Ländern sei die Situation eine andere, „so Schleswig-Holstein z. B. Die haben sehr niedrige Infektionszahlen im Vergleich – da werden solche Maßnahmen noch nicht notwendig sein“, differenziert Streeck. Man müsse man klären, „was unsere Grenzen sind. Wir werden die Welle nicht auf eine lnzidenz von 50 runterdrücken können. Das ist im Winter eigentlich illusorisch, so etwas zu schaffen“, prognostiziert der Wissenschaftler. Man müsse aber auf die Auslastung der Intensivstationen schauen:
„Ab bestimmten Stufen sind bestimmte Maßnahmen notwendig“, so der Virologe.
Die Idee der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht kann Prof. Streeck grundsätzlich nachvollziehen: „Ich kann die Vorzüge einer Impfpflicht verstehen. Man muss ganz deutlich sagen, dass Impfung das Wichtigste ist, was wir haben. Würde sich jeder Mensch impfen lassen, wären wir aus dieser Pandemie schneller raus und würden auch sehr viel entspannter durch diesen Herbst und Winter gehen“, stellt Prof. Streeck fest.
„Trotz allem glaube ich nicht, dass eine Impfpflicht zielführend wäre für uns. Der erste Grund ist: Wir haben einen Impfstoff, wo die Schutzwirkung und Dauer nicht genau überblickt werden kann… Wir wissen gar nicht, wie lange die Booster-Impfung hält… Auch ein Impfstoff, wo die STIKO alle paar Monate oder Wochen noch eine Anpassung macht, kann in meinen Augen nicht unter eine Impfpflicht fallen… Wir können bei diesem Impfstoff auch nicht voraussehen, ob wir über Varianten anpassen müssen in Zukunft… Also braucht man dann auch bestimmte Varianen-lmpfstoffe mit der Frage, ob man dann einen vollen Impfschutz hat“, so Prof. Streeck. Auch müsse dann die Frage aufgeworfen werden, „ob wir für Influenza eine Impfpflicht brauchen“, gibt Streeck zu bedenken. „Viel wichtiger finde ich eigentlich, über die moralische Frage einer Impfung zu reden und dass man hier den Solidaritätsgedanken nach vorne spielen muss, dass wir uns alle doch gegenseitig unterstützen müssen in dieser Pandemie, indem wir uns selbst impfen lassen“, appelliert Prof. Hendrik Streeck.
Ina Pfuhler
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